WG106 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, Montag, 28. November 1910

Dein heutiger [Brief] ist so lieb u schön, daß
ich kein Wort missen möchte und doch \erfüllt er/ mich mit \einer Bangigkeit/

 Ich habe mir überlegt, ob meine
Briefe Dich wol zu sehr erregen, weil
ich \all/ meinen Empfindungen vor Dir den
Lauf ließ? Sage mir das! und
bitte, bitte gieb mir Antwort auf
die vielen Fragen, die ich stellte, sonst
ist mir wie einem Mann der
vergeblich das Echo \seiner Stimme/ erwartet.

         – .
Häßlichkeit \würdest Du mich dann noch lieben. Ausreizung/

 Es ist so ein riesiger Unter-
schied zwischen recht von Herzen
arbeiten und – Geld verdienen
der erst Weg verlängert rückt
Dich in die Ferne \muß ich ganz fertig sein ehe Du kommst/

 Ich sehne mich so unsagbar
mit Dir zu leben, de unsere Inte-
ressen zu teilen

 Wann wann habe ich denn
das Recht Dich zu rufen, wenn Du
es mir nicht giebst. wann ist
man fertig u selbständig
Ach wenn ich Dich noch Jahre entbehren sollte.

 Du schreibst nichts von
Deiner ; was Ihr sprecht,

Du sprichst nie mehr von unserem
Kinde. Ich gelte sonst für einen
ruhigen Menschen, Du hast mich
ganz außer Rand u Band gebracht
Ich zeige niemandem meine Gefühle u Du
\siehst jede leise Schwankung. Ich glaube
fest ans ### u meiner Fertigkeit/

 Könnte ich eins Deiner
Lieder hören \ich weiß nicht was ich
                             darum gäbe/

Fotos, wann bekomme ich
die Deinen?

 Ich habe dennoch Angst daß Du
einen Teil Deiner Hoffnung verloren
hast, daß Du Dir nicht die Kraft
zutraust, Deinen verlassen
zu können \Das ist es ja vielmehr, als
                   mein nicht fertig sein./

 Wenn Du wüßtest, welche[s]
Zähnefletschen in mir ist

_____

 Du bist nicht mehr so freudig
wie in Deinem ersten Brief.

 Ich fühle daß wir noch
durch viele Feuer reiten müssen

 auf die Ungewißheit ob
ich Dich je werde erringen können
mit allen Anstrengungen die ich
für Dich werde zustande bringen

_____

 Es liegt für uns alles gleich
Du bist auch jung und voller Sinnen
ich habe auch gefunden

Wenn \Solange/ mir noch einmal \die Hoffnung bleibt/ daß
in diesem Leben und sei es, wann
\je/ es sei \mir/ ein Sohn \von Dir/ beschieden wird,
dann will

 Ich habe keine größeren Anfechtungen
zu bestehen wie Du.


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (2 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Antwort auf AM47 vom 16. und 17. November 1910 (An Dir liebe ich Schönheit – und nie noch hat mich körperliche Schönheit bei einem Manne gefesselt): Häßlichkeit \würdest Du mich dann noch lieben. Ausreizung/.

Datierung

Die Datierung von WG106 ergibt sich aus der Korrespondenzstelle und der Formulierung Dein heutiger, die sich beide auf AM47 vom 16. und 17. November beziehen. Da AM47 nach eigenem Eingangsvermerk WGs am 28. November 1910 in Berlin eintraf, muss auch WG106 an diesem Tag entstanden sein.

Übertragung/Mitarbeit


(Marie Apitz)
(Tim Reichert)


A

Dein heutiger [Brief]AM47 vom 16. oder 17. November, empfangen am 28. November 1910.

B

Cyrano de Bergerac – Figur aus dem gleichnamigen von .

C

Fotos – s. WG103 vom 17. November 1910, in dem aufgefordert hatte: Laß Dich phot[ografier]en.

D

Wenn \Solange/ – Durchstreichung und Einfügung in Tinte.

E

Ich […] Du. – in Tinte.